Tom Assmann Aurasys Lastenrad Logistik
Tom Assmann Aurasys Lastenrad Logistik

In dieser Folge sprechen wir mit Tom Assmann, Co-Founder von AuRaSys und ehemaligem Forscher an der Universität Magdeburg, über die Zukunft der urbanen Logistik.

Tom gilt als einer der führenden Köpfe im Bereich Lastenrad-Logistik und erklärt, warum die Ära des Lastenrads nicht nur gekommen ist – sondern gerade erst beginnt.

Darum geht’s in dieser Episode:

  • Warum das Lastenrad längst kein Nischenthema mehr ist, sondern Teil der logistischen Normalität werden muss
  • Was ein Lastenrad technisch ausmacht – und warum die Vielfalt von E-Antrieb bis Anhängersystem rasant wächst
  • Die spannendsten Use Cases: von Post- und Paketlogistik über Baustellenbelieferung bis Handwerksbetriebe
  • Wie die Automatisierung von Lastenrädern bei Aurasys neue Maßstäbe setzt – inklusive „Follow-me“-Funktion für Zusteller
  • Warum die Branche kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem hat
  • Welche Rolle Politik, Städteplanung und faire Wettbewerbsbedingungen für den Durchbruch spielen
  • Wie erfolgreiche Städte wie Paris, Gent oder Hamburg zeigen, dass nachhaltige Mobilität und Lebensqualität zusammengehören

Das Lastenrad ist längst mehr als ein Symbol der Verkehrswende – es ist ein echtes Arbeitstier für urbane Lieferketten.
Hör rein, erfahre, wie Innovation, Automatisierung und Stadtplanung zusammenwirken, und entdecke, warum das Lastenrad bald ein Standardfahrzeug der Logistik sein könnte.

Shownotes zur Episode „Lastenrad und Logistik“

Tom Assmann bei LinkedIn

Webseite von AuRaSys

Webseite vom RLVD – Radlogistikverband Deutschland

Buch: Radlogistik – Grundlagen zu Logistik und Wirtschaftsverkehr mit Lasten- und Transporträdern

Buchtipp: Jan Gehl – Städte für Menschen

Podcast-Tipp: Logistik auf den Punkt – Ökologische Nachhaltigkeit in der KEP-Logisitk

Hier gibts die Folge bei Youtube: https://youtu.be/inLhv4KyfhQ

Lastenrad in der Logistik – Vom Nischenprojekt zum Standardfahrzeug der urbanen Lieferkette

Die Idee, Waren mit dem Fahrrad zu transportieren, klingt zunächst nach einem charmanten Rückschritt in alte Zeiten. Doch wer so denkt, unterschätzt das Potenzial des Lastenrads in der Logistik gewaltig. In einer Zeit, in der Städte unter Verkehrsstaus, Emissionen und Flächenmangel leiden, bietet das Lastenrad nicht nur eine ökologische, sondern auch eine ökonomisch sinnvolle Alternative.

Im Logistik Podcast sprechen Tobias Lindner und Andreas Reuther mit Tom Assmann, Co-Founder von Aurasys und langjährigem Forscher an der Universität Magdeburg, über die Entwicklung, den Status quo und die Zukunft der Lastenradlogistik. Kaum jemand in Deutschland kennt die Szene so gut wie er – und kaum jemand verbindet wissenschaftliche Perspektive und praktische Umsetzung so konsequent.

Von der Forschung zur Umsetzung: Wie alles begann

Tom Assmann ist einer der Pioniere, wenn es um das Lastenrad in der Logistik geht. Schon 2015 schrieb er seine Masterarbeit über das Thema – zu einer Zeit, als kaum jemand daran dachte, Fahrräder wieder als Transportmittel für den gewerblichen Güterverkehr zu nutzen.

Nach seiner Tätigkeit an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und dem Fraunhofer-Institut arbeitete er an Leitfäden, Förderprojekten und Studien, die die Grundlage für heutige Konzepte wie Mikro-Hubs oder automatisierte Lastenräder bilden.

„Wir hatten damals noch die Aufgabe, das Thema überhaupt erstmal erklärbar zu machen“, erinnert sich Assmann. „Heute sehen wir Lastenräder auf den Straßen, und das ist genau der Punkt, an dem wir hinwollten: Normalität.“

Die Vision: Das Lastenrad soll nicht als Nischenlösung oder grüne Spielerei gelten, sondern als Standardfahrzeug im innerstädtischen Lieferverkehr.

Was macht ein Lastenrad eigentlich aus?

Das Lastenrad unterscheidet sich deutlich vom klassischen Fahrrad. Es ist kein Lifestyle-Gadget, sondern ein konkret für den Transport entwickeltes Nutzfahrzeug.

Während ein normales Fahrrad mit etwa 25–30 Kilogramm Zuladung auskommt, bewegen moderne Lastenräder je nach Bauweise bis zu 300 Kilogramm Nutzlast – mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 600 Kilogramm. Dabei gibt es verschiedene Typen:

  • Einspurige Lastenräder, wie man sie häufig bei Familien oder Kurierdiensten sieht.
  • Mehrspurige Modelle mit drei oder vier Rädern, die an kleine Transporter erinnern und oft in der Paketzustellung eingesetzt werden.
  • Anhänger-Systeme, die zusätzliche Paletten oder sperrige Güter aufnehmen können.

Mit elektrischer Unterstützung (bis 25 km/h und 250 Watt Nenndauerleistung) bleiben diese Fahrzeuge rechtlich Fahrräder – ein enormer Vorteil, weil sie keinen Führerschein benötigen und flexibel im Stadtverkehr eingesetzt werden können.

Use Cases: Vom Paketdienst bis zum Handwerker

Wo also spielt das Lastenrad in der Logistik heute seine Stärken aus? Tom Assmann nennt mehrere typische Einsatzbereiche, die inzwischen real und wirtschaftlich relevant sind:

  1. Paket- und Kurierdienste:
    Unternehmen wie DHL, DPD oder die Deutsche Post setzen längst Lastenräder ein – nicht als Marketinggag, sondern aus Effizienzgründen. Zusteller können in Innenstädten schneller agieren, Parkprobleme vermeiden und Arbeitskräfte auch ohne Führerschein einsetzen.
  2. Lebensmittel- und Schnelllieferdienste:
    Anbieter wie Flink oder Gorillas zeigen, dass Geschwindigkeit und Nachhaltigkeit kein Widerspruch sind. Mit Lastenrädern lassen sich enge Stadtgebiete präzise bedienen.
  3. Baustellenbelieferung und Ersatzteillogistik:
    Für kleine, eilige Transporte – von Werkzeugen bis zu Einzelkomponenten – sind Lastenräder schneller, flexibler und kostengünstiger als Lieferwagen.
  4. Handwerk und Servicebetriebe:
    Ob Aufzugswartung, Schornsteinfeger oder Solartechnik: Immer mehr Handwerker nutzen Lastenräder, um Material und Werkzeug direkt durch den Stadtverkehr zu bewegen.
  5. Kommunale Dienste:
    Stadtreinigung, Sperrmüllsammlung oder Grünpflege – auch hier beweisen Lastenräder ihre Alltagstauglichkeit und senken gleichzeitig Betriebskosten.

All diese Beispiele zeigen: Das Lastenrad ist kein Ersatz für den LKW, sondern ein ergänzendes Element in der urbanen Lieferkette – dort, wo es auf Wendigkeit, Effizienz und geringe Kosten ankommt.

Herausforderungen: Vom Erkenntnis- zum Umsetzungsproblem

Technisch, organisatorisch und ökonomisch sei längst klar, dass das Lastenrad in der Logistik funktioniert. Doch der flächendeckende Durchbruch hängt von zwei zentralen Faktoren ab:

  1. Robuste und verlässliche Fahrzeuge:
    Frühe Modelle litten unter mangelnder Dauerhaltbarkeit und hohen Wartungskosten. Mittlerweile entwickeln Hersteller deutlich professionellere Systeme, aber der Weg zu bundesweiten Service- und Wartungsstrukturen ist noch lang.
  2. Politische und infrastrukturelle Rahmenbedingungen:
    Städte müssen faire Wettbewerbsbedingungen schaffen. Wer nur vierspurige Straßen baut, fördert zwangsläufig Autos. Erst wenn Radwege, Ladezonen und Mikro-Hubs auf gleichem Qualitätsniveau existieren, entsteht echter Handlungsspielraum für alternative Transportmittel.

„Wir haben in Deutschland kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem“

Assmann fordert eine konsequente Stadtplanung, die Logistik als Teil der Daseinsvorsorge versteht – und nicht als Störfaktor.

Automatisierung: Wenn das Lastenrad selbst fährt

Mit seinem Startup Aurasys geht Tom Assmann noch einen Schritt weiter. Das Unternehmen arbeitet an der Automatisierung von Lastenrädern – etwa mit einer „Follow-me“-Funktion, bei der das Fahrzeug dem Zusteller automatisch folgt.

„Wir wollen nicht das Fahrrad neu erfinden“, sagt er. „Aber wir wollen es intelligenter machen.“
Der Gedanke dahinter ist pragmatisch: Zusteller, die 100-mal am Tag auf- und absteigen, verlieren Zeit und belasten ihre Gelenke. Ein Lastenrad, das selbstständig mitläuft, reduziert körperliche Belastung, spart Zeit und erhöht die Produktivität.

Damit schließt sich der Kreis: Automatisierung, Nachhaltigkeit und Effizienz sind keine Gegensätze – sie verstärken sich gegenseitig.

Politik und Gesellschaft: Fairness als Schlüssel

Ein weiteres Thema, das Tom Assmann im Podcast klar anspricht, ist die ungleiche Förderung von Verkehrsträgern. Während Milliarden in Straßen- und Automobilförderung fließen, bleibt die Fahrrad- und Lastenradbranche politisch oft unterrepräsentiert.

Assmann fordert, den Radverkehr als gleichwertigen Wirtschaftsfaktor anzuerkennen. Nicht aus Ideologie, sondern aus Vernunft: Wer mehr Menschen und Güter effizient in der Stadt bewegen will, muss Vielfalt zulassen – und dafür die richtigen Anreize schaffen.

Von Paris bis Hamburg: Städte im Wandel

Wie gelungene Beispiele aussehen können, zeigt ein Blick ins Ausland. Paris, Brüssel oder Gent haben ihre Innenstädte in den letzten Jahren radikal umgestaltet. Weniger Autoverkehr, mehr Aufenthaltsqualität – und plötzlich steigt die Lebensqualität messbar.

Auch in Deutschland tut sich etwas: Hamburg gilt aktuell als positives Beispiel, weil dort Stadtplanung, Politik und Wirtschaft stärker zusammenarbeiten. Dennoch ist klar: Der Weg ist weit – aber machbar.

Fazit: Das Lastenrad ist gekommen, um zu bleiben

Das Lastenrad in der Logistik ist kein Trend, sondern eine logische Antwort auf urbane Herausforderungen. Es löst kein Verkehrsproblem allein, aber es kann viele kleine Probleme gleichzeitig entschärfen – von Emissionen über Flächenverbrauch bis hin zu Personalmangel.

Oder, wie es Tom Assmann formuliert:

„Das Ziel ist, dass wir irgendwann gar nicht mehr darüber sprechen, ob man ein Lastenrad nutzt – sondern nur noch, welches Modell man fährt.“

Die Zukunft der Logistik wird nicht nur auf der Autobahn entschieden, sondern in den Städten – auf Radwegen, Mikro-Hubs und in neuen Denkweisen. Und genau dort wird das Lastenrad seinen festen Platz haben.

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