D2C aus China? Ist das jetzt das neue Buzzword? Vielleicht 🙂
In dieser Folge sprechen wir über die tektonische Verschiebung im globalen Handel: chinesische D2C-Plattformen wie Temu, Shein, AliExpress, JD.com und TikTok Shopping treffen auf Amazon und Europas Handels- und Logistikstrukturen.
Wir analysieren, warum nicht mehr nur Shops, sondern ganze Supply-Chain-Architekturen gegeneinander antreten – und wie sich das Kauf- und Lieferverhalten verändert. Dabei werfen wir einen kritischen Blick auf Regulierung, Logistikkosten, Kundenzugang und die Frage, welche Geschäftsmodelle in Zukunft bestehen werden.
Themen dieser Episode:
- Wie chinesische Plattformen europäischen E-Commerce und Logistikstrukturen transformieren
- Factory-to-Consumer vs. klassische Handelsmodelle
- EU-Regulierungspläne (Abschaffung der 150-€-Freigrenze, Importgebühr, Zollunion)
- Luftfracht, lokaler Bestand & hybride Fulfillment-Modelle
- Strategische Copy-Cat-Dynamik: Amazon reagiert
- Gewinner & Verlierer: Welche Händler- und Logistikmodelle Zukunft haben
Wir wünschen dir viel Spaß beim Hören und freuen uns, wenn du uns dein Feedback zur Folge gibst. Teile die Episode gerne mit Kolleg:innen, die sich für E-Commerce, Logistik oder Handel interessieren – und hinterlasse uns eine Bewertung, wenn dir unser Podcast Mehrwert liefert. Bis zur nächsten Woche!
Shownotes zur Episode „D2C aus China“ mit Christoph Tripp
Webseite von Prof. Dr. Christoph Tripp und sein LinkedIn-Auftritt
Beitrag Focus.de: „Teuer, unverschämt und langsam: Ein Paketdienst versagt total im SAT.1-Test„
Sat 1 Beitrag „SAT.1 Check!“: So schlecht schneiden DHL, Hermes & UPS wirklich ab
Christoph’s Buchtipp: „Schnelles Denken, Langsames Denken“ von Daniel Kahnemann
Episode zur Christoph’s Buch „Distributionslogistik“
Neuste „Logistik auf den Punkt“-Episode mit Christoph
D2C aus China: Wie Temu, Shein & Co. Europas Handel und Logistik neu definieren
Der globale Handel erlebt einen tektonischen Wandel. Was vor wenigen Jahren noch als exotischer Trend aus Fernost galt, ist heute Realität im europäischen Alltag: D2C aus China – ein direktes Vertriebsmodell von Herstellern und Plattformen zum Endkunden – verändert E-Commerce, Logistik und Konsumverhalten tiefgreifend.
In unserer Podcast-Episode mit Prof. Dr. Christoph Tripp (TH Nürnberg) haben wir darüber gesprochen, wie Plattformen wie Temu, Shein, AliExpress, JD.com und TikTok Shopping den Wettbewerb verschieben – und warum nicht mehr Händler gegen Händler antreten, sondern globale Supply Chains gegen europäische Handelsstrukturen.
„Sie sind gekommen, um zu bleiben“, sagt Tripp. Und genau das spüren Händler, Logistiker und Verbraucher inzwischen täglich.
„D2C aus China“ ist keine Randerscheinung – es ist das neue Normal
Noch vor Kurzem galt „D2C aus China“ als Nischenthema. Heute nutzen laut Tripp allein Temu und Shein 19–20 Millionen Konsument:innen pro Monat in Deutschland. AliExpress kommt sogar auf rund 25 Millionen.
Das sind keine Testmärkte mehr. Das ist Mainstream.
„Die monatlichen Nutzerzahlen sind kontinuierlich gestiegen. Wir reden hier nicht mehr von klein und gering, sondern von Plattformen, die im Alltag angekommen sind.“ – Prof. Christoph Tripp
Diese Nutzerbasis baut ein Fundament, das sich kaum zurückdrehen lässt. Wer einmal „shoppt wie ein Milliardär“ – mit Mini-Preisen, aggressiven Coupons und Social-Gamification – erwartet dieses Erlebnis auch anderswo.
D2C aus China: Vom günstigen T-Shirt zum vollständigen Retail-Ökosystem
Viele reduzieren Shein, Temu & Co. auf Fashion oder Billiggadgets. Das greift zu kurz.
Tripp macht deutlich:
Chinas Plattformen wollen komplette Handelssysteme etablieren – inklusive Logistik, Markenaufbau und datengetriebener Kundensteuerung.
„Das Hypethema ist überlebt – es ist etabliert.“
Diese Anbieter testen inzwischen sogar Lebensmittel-Segmente und schließen lokale Lager auf der ganzen Welt auf. Damit rücken sie immer näher an das Amazon-Modell heran – und kopieren zugleich dessen Stärken.
Gleichzeitig kopiert Amazon zurück:
Mit „Amazon Global/Haul“ testet der US-Konzern selbst chinesisches Factory-to-Consumer für günstige Kleingüter.
Copy-Cat-Wettlauf auf globalem Level.
Preisaggressivität trifft Supply-Chain-Tempo
Chinesische Anbieter subventionieren massiv, um Marktanteile zu gewinnen.
Und sie kombinieren aggressive Preise mit einem neuen Logistikparadigma:
Zwei parallele Modelle:
| Modell | Vorteil | Rolle |
|---|---|---|
| Luftfracht-D2C | Geschwindigkeit | Trendartikel, hohe Rotationsrate |
| Seefracht + lokaler Bestand | Kostenoptimierung | Schnelldreher & Standardprodukte |
Damit entsteht ein duales System, das sowohl Dynamik (Fast Trend Testen) als auch Skalierbarkeit (Massenvolumen) ermöglicht.
„Wir werden auf Dauer parallele Modelle sehen.“ – Prof. Tripp
Das macht D2C aus China so mächtig: Es ist kein Entweder-oder, sondern ein Und-auch.
Kostenstruktur: Kann das auf Dauer funktionieren?
Spannend wurde es, als wir über Logistikkosten gesprochen haben. Tripp skizziert realistische Werte:
| Prozess | Kostenschätzung |
|---|---|
| First Mile China | 0,10–0,15 € |
| Luftfracht | 2,50–3,00 € |
| Zoll & Mid-Mile | ~0,50 € |
| Last Mile EU | ~3,00 € |
| Gesamt | ca. 6–7 € pro Paket |
Bei vielen Artikeln liegt der Verkaufspreis darunter.
Kurz:
Viele Sendungen werden querfinanziert.
Aber: China spielt lang. Kundenakquise → Markenaufbau → Lokalisierung → Profitabilität.
„Sie kaufen sich Zugang zum Kunden.“
Und das klappt.
EU-Regulierung: Bremst Europa D2C aus China?
Aktuell ist die Lage paradox:
- Kritik massiv (Produktsicherheit, Müll, Steuer-/Zollumgehung)
- Politik wach – aber langsam
- Industrie drängt auf schnellere Maßnahmen
Geplante Schritte u.a.:
- Abschaffung der 150-€-Freigrenze
- mögliche 2-€-Importabgabe pro Sendung
- Ausbau digitaler Zollsysteme
Tripp warnt jedoch:
„Ein Jahr Verzögerung ist für Händler bereits ein verlorenes Jahr.“
Während Europa plant, handelt China. Und die USA?
Sie haben bereits stärker gegengesteuert – inklusive höherer Zölle.
China-Plattformen reagierten blitzschnell: Werbung raus aus USA → Budget rein nach EU.
Flexibilität als strategische Waffe.
Welche Händler gewinnen – wer verliert?
Tripp sieht klare Linien:
Gewinner:
- Hochspezialisierte Online-Nischen (z.B. Thomann im Musikbereich)
- Marken mit echtem USP & Kundenbindung
- Händler mit Beratung/Erlebnis
- Systemlogistik und Service-Logistik
Verlierer:
- Generische Sortimente ohne Differenzierung
- Mittelstands-E-Commerce ohne Plattformstrategie
- Händler, die sich rein preislich positionieren wollen
Oder anders ausgedrückt:
„Die Großen werden größer – und nur echte Nischen können sich halten.“
Was bedeutet D2C aus China für die Logistik?
Für Logistiker ist der Trend zweischneidig:
✅ Mehr Volumen
✅ Neue Services (Fulfillment, Retouren, Zoll, Value-Added-Services)
⚠️ Höhere Komplexität
⚠️ Kosten steigen
⚠️ Erwartungshaltung Next-Level-Convenience
Tripp dazu:
„Positiv gesehen heißt das mehr Möglichkeiten für Logistiker – aber die Komplexität wird steigen und damit die Kosten.“
Es könnte sein, dass chinesische Logistikkonzerne stärker in Europa auftauchen – nicht als Paketdienste, sondern als Fulfillment- und Lager-Player.
Der Wettkampf findet also in der Mitte der Supply Chain statt, nicht nur auf der letzten Meile.
D2C aus China ist eine Zeitenwende – keine Welle
D2C aus China ist:
- Skalierbar
- Kapitalstark
- Logistisch flexibel
- Digital optimiert
- Plattform- statt Händlergetrieben
„Amazon-Moment“ für Europa – nur mit noch mehr Tempo.
Wer bestehen will, braucht klare Differenzierung, Kundenbindung und Supply-Chain-Intelligenz statt Hoffnung.
Das Rennen ist offen – aber das Spielfeld hat sich verändert.
