Incoterms in der Logistik
Incoterms in der Logistik

In Teil 2 unserer Incoterms-Serie gehen wir richtig in die logistische Tiefe: Welche Klauseln machen in der Praxis wirklich Sinn – und wann wird es gefährlich teuer, wenn man nicht sauber arbeitet?

🔍 Darum geht’s in der Folge:

  • Was die vier „Seefracht-only“-Klauseln (FAS, FOB, CFR, CIF) praktisch bedeuten
  • Warum FOB nicht für LCL-Sendungen taugt – und was dann?
  • Wann sich CFR/CIF lohnen – und wo man sich besser nicht auf Mindestversicherungen verlässt
  • Ex Works: Günstig auf dem Papier, teuer in der Umsetzung
  • FCA & DDP als praxisnahe Alternativen für multimodale und landgestützte Transporte
  • Der Hidden Champion: Warum es sich lohnt, Lieferort & -stelle sehr präzise zu definieren

💡 Fazit:
Die Incoterms sind keine akademische Spielerei – sie entscheiden über Kosten, Verantwortung und oft über den wirtschaftlichen Erfolg eines Deals. Wer seine Stärken (und Schwächen) kennt, kann die Klausel wählen, die wirklich passt.

Incoterms in der Praxis – Was wirklich zählt

In der letzten Episode unseres Podcasts haben wir euch die Grundlagen der Incoterms vorgestellt – ein kurzer, kompakter Rundumschlag durch die wichtigsten Lieferklauseln. Was regeln sie? Wo liegen die Unterschiede? Welche elf Klauseln gibt es überhaupt – und warum sollte man nicht einfach „frei Haus“ oder „ab Werk“ sagen?

In Teil 2 tauchen wir nun tiefer ein und widmen uns der entscheidenden Frage: Wie funktionieren die Incoterms eigentlich im logistischen Alltag? Welche Klauseln sind für welche Transportwege geeignet? Wo liegen Chancen – und wo teure Fallstricke? Und vor allem: Wie finde ich als Einkäufer oder Verkäufer den passenden Inco Term für meine Situation?

Denn eines ist sicher: Wer die falsche Klausel wählt oder unklar formuliert, riskiert nicht nur Mehrkosten, sondern im Zweifel auch Ärger mit Zoll, Versicherung oder Finanzamt. Grund genug also, genau hinzuschauen und sich mit den wichtigsten Anwendungsfällen vertraut zu machen.

Die Seefracht-Klauseln: FAS, FOB, CFR, CIF

Wir starten mit den vier klassischen Seefracht-Klauseln, die ausschließlich für den Seeweg vorgesehen sind. Auch wenn sie im Alltag oft genutzt werden, steckt der Teufel im Detail – denn jede dieser Klauseln bringt ganz eigene Risiken, Verantwortlichkeiten und Chancen mit sich:

  • FAS (Free Alongside Ship): Bei dieser Klausel endet die Verantwortung des Verkäufers bereits, wenn die Ware am Kai – also neben dem Schiff – bereitgestellt wird. Der Käufer trägt ab diesem Moment sämtliche Risiken. FAS ist deshalb vor allem bei Massengut, Projektladungen oder Stückgutsendungen relevant, bei denen die Verladung durch den Käufer oder dessen Spediteur selbst organisiert wird. Für Standardcontainer oder kleinere Sendungen ist diese Regelung jedoch selten sinnvoll.
  • FOB (Free on Board): Der Klassiker im Überseegeschäft – hier übernimmt der Käufer die Verantwortung, sobald die Ware an Bord des Schiffes ist. FOB bietet sich insbesondere für vollständige Containerladungen (FCL) an, bei denen der Käufer Zugriff auf den Verladeprozess hat oder diesen selbst organisiert. Für Sammelcontainer (LCL) ist FOB jedoch ungeeignet, da der Käufer keinen Einfluss auf die Konsolidierung und die Beladung hat. Wichtig ist außerdem, dass der Übergangspunkt exakt benannt wird – Stichwort: Reling = Risikoübergang.
  • CFR (Cost and Freight): Diese Klausel erweitert FOB um die Verpflichtung des Verkäufers, die Seefrachtkosten bis zum Bestimmungshafen zu tragen. Für den Käufer kann das attraktiv sein, wenn der Verkäufer über bessere Frachtraten verfügt. Doch Achtung: Das Risiko geht – wie bei FOB – bereits beim Verladen auf den Käufer über. Das bedeutet, Schäden während der Seereise trägt der Käufer, obwohl er die Fracht nicht organisiert hat.
  • CIF (Cost, Insurance and Freight): Im Prinzip identisch zu CFR, mit dem Zusatz, dass der Verkäufer eine Transportversicherung abschließen muss. Die Versicherung deckt in der Regel 110 % des Warenwerts ab, allerdings nur auf Basis der Mindestdeckung. Für wertvolle oder empfindliche Güter reicht das oft nicht aus. Käufer sollten daher prüfen, ob eine ergänzende Versicherung notwendig ist oder ob ein Wechsel auf DDP (siehe unten) mehr Sicherheit bietet.

Praxis-Tipp: Die Wahl zwischen diesen vier Klauseln sollte nicht nach Bauchgefühl, sondern nach konkreter Kalkulation erfolgen. Wer FOB oder CFR wählt, muss sich über seine Pflichten und Risiken im Klaren sein – insbesondere, was Versicherungsschutz, Hafendurchlaufzeiten oder Verzögerungen betrifft.

Tipp aus der Praxis: Wer glaubt, mit FOB oder CFR günstig unterwegs zu sein, sollte den gesamten Case durchrechnen. Ohne ausreichende Versicherung oder klare Regelungen kann es schnell teuer werden.

Land & Luft: XW, FCA, CPT, CIP

Außerhalb der Seefracht dominieren multimodale und landgestützte Lieferungen – und hier gelten andere Spielregeln. Die folgenden Klauseln sind besonders relevant für Transporte per LKW, Bahn oder Flugzeug – und gewinnen durch die zunehmende Verflechtung internationaler Lieferketten weiter an Bedeutung:

  • EXW (Ex Works): Auf den ersten Blick scheint EXW eine attraktive Lösung für den Verkäufer zu sein – schließlich endet seine Verantwortung bereits, sobald die Ware auf seinem Gelände bereitsteht. Doch für den Käufer wird es schnell kompliziert: Er muss nicht nur den kompletten Transport organisieren, sondern ist auch für die Ausfuhranmeldung, Zollabwicklung und alle Risiken ab dem Werkstor verantwortlich. Besonders kritisch wird es, wenn der Käufer außerhalb der EU sitzt – denn dann drohen Nachweispflichten, Probleme mit Embargos oder steuerliche Fallstricke. Auch haftungsrechtlich ist EXW heikel, da dem Käufer oft der Zugriff auf notwendige Ausfuhrpapiere fehlt. Kurz gesagt: Für internationale Geschäfte ist EXW nur sehr bedingt zu empfehlen.
  • FCA (Free Carrier): Die deutlich praxisnähere Alternative. Der Verkäufer liefert die Ware an einen benannten Frachtführer an einem vereinbarten Ort – das kann ein Logistikzentrum, ein Containerterminal oder auch das eigene Betriebsgelände sein. Ab diesem Zeitpunkt trägt der Käufer die Verantwortung. FCA ist flexibel, gilt für alle Verkehrsträger und eignet sich besonders gut für kombinierte Transporte. Seit 2020 ist auch die Ausstellung eines Bordkonnossements möglich, was den Einsatz im Seeverkehr zusätzlich erleichtert. Für viele Unternehmen ist FCA die Standardklausel, da sie Planungssicherheit und klare Verantwortlichkeiten bietet.
  • CPT (Carriage Paid To): Der Verkäufer übernimmt die Transportkosten bis zu einem benannten Bestimmungsort, trägt aber nicht das Transportrisiko – dieses geht bereits bei der Übergabe an den ersten Frachtführer auf den Käufer über. CPT eignet sich daher vor allem für Verkäufer, die über gute Frachtkonditionen verfügen, aber nicht das Risiko der gesamten Transportstrecke übernehmen möchten.
  • CIP (Carriage and Insurance Paid To): Aufbauend auf CPT verpflichtet sich der Verkäufer zusätzlich, eine Transportversicherung für die Ware abzuschließen. Anders als bei CIF (Seefracht) gilt hier ein höherer Mindestversicherungsstandard nach den Institute Cargo Clauses A (All-Risks). Für Käufer, die sich gegen Transportschäden absichern wollen, ist CIP daher eine interessante Option – insbesondere bei hochpreisigen oder empfindlichen Produkten.

Unser Tipp: Wer in Europa bleibt und solide Logistikpartner hat, ist mit FCA fast immer gut beraten. EXW klingt zwar schlank, birgt aber erhebliche Risiken. CPT und CIP lohnen sich vor allem dann, wenn der Verkäufer bessere Logistikkonditionen oder Versicherungsmöglichkeiten mitbringt – und der Käufer trotzdem frühzeitig das Risiko übernehmen möchte.

Unser Tipp: Wer in Europa bleibt, ist mit FCA meist gut bedient. EXW kann bei Exporten außerhalb der EU schnell rechtlich und steuerlich heikel werden – Stichwort: Nachweispflichten, Sanktionslisten, Embargos.

DAP, DPU und DDP – die bequeme Seite der Logistik

Wenn es besonders bequem sein soll – insbesondere aus Sicht des Käufers – bieten sich die sogenannten D-Klauseln an. Sie verlagern einen Großteil der logistischen Verantwortung auf den Verkäufer und kommen vor allem bei komplexen internationalen Lieferketten oder stark regulierten Importmärkten zum Einsatz:

  • DAP (Delivered at Place): Hier verpflichtet sich der Verkäufer, die Ware bis zu einem vereinbarten Zielort im Importland zu bringen. Das kann ein Lager, ein Werk oder ein anderer konkreter Ort sein – jedoch ohne Entladung. Das Risiko geht beim Eintreffen am Bestimmungsort auf den Käufer über. DAP eignet sich für Käufer, die keine eigene Transportlogistik haben, aber die Entladung selbst organisieren möchten. Wichtig: Der Verkäufer trägt alle Risiken und Kosten bis zur Ankunft – Verzögerungen oder Schwierigkeiten im Transit liegen in seiner Verantwortung.
  • DPU (Delivered at Place Unloaded): Die einzige Klausel, bei der der Verkäufer auch für das Entladen der Ware verantwortlich ist. DPU kommt vor allem dann zum Einsatz, wenn der Käufer weder Personal noch Infrastruktur für die Entladung stellen kann oder will. Sie eignet sich z. B. für Lieferungen an Baustellen, Messen oder temporäre Standorte. Allerdings muss im Vertrag klar definiert sein, wer welche technischen Voraussetzungen erfüllt – etwa Rampen, Flurförderzeuge oder Zeitfenster.
  • DDP (Delivered Duty Paid): Die „All-inclusive“-Klausel: Der Verkäufer übernimmt sämtliche Pflichten – Transport, Entladung, Zollabwicklung, Steuern, Gebühren und Risiken – bis zum vereinbarten Ort im Zielland. Für den Käufer ist DDP besonders komfortabel, da er sich um nichts kümmern muss. Allerdings birgt DDP für den Verkäufer erhebliche Risiken: Er muss mit den Einfuhrregelungen des Bestimmungslands vertraut sein, alle Dokumente korrekt und fristgerecht einreichen sowie lokale Vorschriften einhalten. Gerade in Märkten mit komplexen Zollbestimmungen oder Sanktionen (z. B. Russland, USA, Schweiz) kann das zur Stolperfalle werden.

Achtung: Wer DDP anbietet, sollte mit lokalen Dienstleistern oder Zollagenten zusammenarbeiten und die rechtliche Lage regelmäßig prüfen. Fehler in der Verzollung können nicht nur teuer, sondern auch strafrechtlich relevant sein.

Fazit: D-Klauseln bieten hohe Servicequalität und minimieren das Risiko auf Käuferseite – setzen aber auf Verkäuferseite fundiertes Know-how und eine stabile logistische Infrastruktur voraus. Für Geschäftspartner mit enger, vertrauensvoller Zusammenarbeit können sie eine wertvolle Lösung sein – bei sporadischen Lieferbeziehungen ist hingegen Vorsicht geboten.

Fazit: Augen auf bei der Klauselwahl

Die Incoterms sind weit mehr als trockene Vertragsklauseln oder juristische Fußnoten. Sie sind das logistische Rückgrat internationaler Lieferbeziehungen – ein Regelwerk, das darüber entscheidet, ob Warenströme effizient, transparent und rechtssicher fließen. Wer sie richtig einsetzt, senkt nicht nur Kosten und minimiert Risiken, sondern verhindert auch Missverständnisse, Verzögerungen und Haftungsprobleme.

Dabei lohnt sich ein ehrlicher Blick in die eigenen Prozesse und Fähigkeiten:

  • Wer den Weg, die Route und die Regularien kennt, profitiert davon, selbst zu organisieren – mit einer Klausel wie FCA behält man Kontrolle und spart bei eingespielten Abläufen bares Geld.
  • Wer dagegen mit fremden Märkten, Zollverfahren oder Sprachbarrieren kämpft, sollte nicht zögern, Verantwortung abzugeben. Eine DDP-Lieferung kann in solchen Fällen nicht nur nervenschonend, sondern unter dem Strich sogar wirtschaftlicher sein.

Entscheidend ist: Die Incoterms sind kein starres Konstrukt – sie lassen sich anpassen, kombinieren und vertraglich erweitern. Es geht nicht darum, die perfekte Klausel zu finden, sondern die beste Lösung für die jeweilige Konstellation.

Und am Ende – wie so oft in der Logistik – entscheidet Kommunikation über Komplexität. Wer frühzeitig mit seinen Partnern spricht, Erwartungen klärt und Lieferbedingungen sauber dokumentiert, schafft Vertrauen, vermeidet Streitigkeiten und bringt die Ware zuverlässig von Rampe zu Rampe – ganz gleich, ob quer durch Europa oder rund um die Welt.

https://youtu.be/3UrnwTmqgBU

Von Tobias

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